Eine der wichtigsten Eigenschaften beim Hund - und auch beim Menschen - für ein stressfreies oder besser, stressarmes Zusammenleben ist, wie auch im Wolfsrudel, die Kommunikation. Ich habe die Erfahrung gewonnen, wenn Hunde miteinander kommunizieren, machen die begleitenden Menschen die größeren Fehler, was oft zu Missverständnissen führt. Wie wir wissen besitzen Wölfe ein umfangreiches Repertoire an Kommunikationsmöglichkeiten. Diese Verständigung untereinander ist lebensnotwendig, da sonst elementare Grundlagen für ein geordnetes Sozialleben im Rudel fehlen würden. Wölfe besitzen eine sehr ausgeprägte und differenzierte Sprache. Auch die so wichtige Rangordnung im Wolfsrudel wird in erster Linie durch diese Sprache dargestellt und aufrechterhalten. Wie ihr Stammvater benutzen auch unsere Hunde eine große Anzahl dieser Signale für die innerartliche Kommunikation. Das Wissen um diese Sprache ist für mich eines der wichtigsten Dinge beim Umgang mit dem Hund. Grob kann unterschieden werden zwischen körperliche, lautsprachliche und olfaktorische Kommunikation. So seien hier zum Beispiel Gesichtsmimik, Blickkontakte, Ruten- und Körperhaltung, Ohrenstellung, Fellsträuben genannt. Leider sind durch etliche Züchtungen des Menschen das Erkennen mancher körpersprachlicher Ausdrücke erschwert worden (extreme Hängeohren, kupierte Rute, Gesichtsfransen usw.) Die olfaktorische (geruchliche) Kommunikation stellt einen sehr hohen Stellenwert in der Kommunikation dar, wie z.B. Markieren mit Urin und Kot, wobei diese letztere Form einen entscheidenden Vorteil hat: sie ist nicht ortsgebunden. D.h. der Wolf/Hund kann "Nachrichten" auch für später vorbeikommende Artgenossen hinterlassen. Durch das Absondern von Drüsensekreten beim Harnen ist z.B. der hormonelle Status einer Hündin erkennbar. Für die Fortpflanzung eine unabdingbare Information. Aber auch Reviere werden auf diese Weise abgegrenzt. Lautsprachlich kennen wir Knurren, Bellen, Heulen, Winseln, Wuffen usw., wobei sich beim Hund das uns bekannte Bellen als Kommunikation erst durch seine Entwicklung im Hausstand gebildet hat. Besonders anhand der körperlichen Ausdrucksweise lässt sich die momentane Befindlichkeit eines Hundes sehr gut erkennen. Ist er aggressiv oder ängstlich usw. In Dr. Erik Zimen's Bücher "Der Hund" und "Der Wolf" sowie in "Hundepsychologie" von Dr. Dorit Feddersen-Petersen sind die einzelnen körpersprachlichen Aspekte sehr gut beschrieben und abgebildet. Diese Bücher sowie "Hunde ernst genommen" von Eberhard Trumler und "Der Hund im modernen Hausstand" von Günther Bloch kann ich als Grundlagenliteratur wärmstens empfehlen. Wie beim Menschen auch, befinden sich die Hauptsinnesorgane des Hundes am Kopf. Der Unterschied der Sinnesleistungen zu uns Menschen besteht u.a. darin dass der Hund ein Nasentier ist während wir uns hauptsächlich mit den Augen orientieren. Seine Riechleistungen übersteigen ganz einfach unser Vorstellungsvermögen und ist längst noch nicht zur Gänze erforscht. Diese unglaubliche Riechleistung hängt mit der sehr großen Anzahl von Riechzellen zusammen die der Hund besitzt. Als Beispiel sei hier genannt, dass der Hund in der Lage ist, menschlichen Schweiß noch in millionenfacher Verdünnung zu wittern. Man weiß heute, dass er einen Duft "zerlegen" kann, d.h. er kann Geruchsmischungen in ihre Einzeldüfte aufspalten und wahrnehmen. Aufgrund dieser einzigartigen Fähigkeit wird der Hund sehr oft als Rauschgiftspürhund, Sprengstoffspürhund, Leichenspürhund, Trümmer-, Flächen- und Lawinensuchhund (Rettungshund) u.a.m. eingesetzt. Auch auf der Jagd ist ein Hund zur Nachsuche nach dem angeschossenem Wild unentbehrlich. Auch wenn ein Hund erblindet, findet er sich dank der Leistung seiner Nase noch erstaunlich gut in seiner Umwelt zurecht. Man könnte eine Unzahl an Beispielen und Vergleichen aufführen wie gut der Hund riecht. Es sei hier auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen. Der ebenfalls sehr gute Geschmackssinn arbeitet eng mit dem Geruchssinn zusammen. Das Sehvermögen des Hundes ist etwa dem des Menschen vergleichbar. Er ist ein Bewegungsseher d.h. Bewegungen werden sofort und auch auf größere Entfernungen wahrgenommen. In der Dämmerung ist dem Menschen gegenüber im Vorteil - aufgrund einer Reflexionsschicht im Augenhintergrund sieht er zu dieser Zeit besser. Im Sehvermögen gibt es natürlich auch rassespezifische Unterschiede. So sehen etwa Windhunde besser als ihre auf Nasenleistung gezüchteten Artgenossen. Das Hörvermögen des Hundes wiederum ist erheblich besser als das des Menschen. Er kann Töne wahrnehmen, die für uns unhörbar sind (Beispiel Hundepfeife). Wie gut das Hörvermögen ist, erkennt man daran dass viele Hunde das Motorengeräusch des Familienautos unter vielen anderen exakt heraushören. Diese Hörleistungen machen den Hund auch zu einem hervorragenden Wächter. Wie oft passiert es, dass wir sagen: Sei still, da ist doch gar nichts! und nach einiger Zeit hören wir doch plötzlich Schritte von Leuten die am Haus vorbeigehen. Auch der Tastsinn ist hervorragend ausgebildet. Die empfindlichste Stelle ist der Nasenspiegel, Lefzen und Zunge. Aber auch die Ballen der Pfoten sind sehr empfindlich. Im Gesichtsbereich sind besonders empfindliche Tasthaare im Bereich der Lefzen der Augenbrauen, der Backen und am Unterkiefer vorhanden. Solche vereinzelte Tasthaare sind auch am übrigen Körper mit dem empfindlichen Nervengeflecht verbunden.

 

 

 

Da die Aggression in der heutigen Zeit eine sehr bedeutende Rolle beim Hund spielt, möchte ich anhand eines Beispiels dieser Verhaltensweise einen Eindruck von der Ausdrucksweise des Hundes geben.

 

 

 

Von unten links nach oben links - zunehmende Angst

Von unten links nach unten rechts - zunehmende Aggression.

Man beachte hier auch die Mundwinkelspalte:

bei Angst spitz, bei Aggression rund

 

 Bild Gesichtsmimik aus Erik Zimen "Der Hund" S. 355

 

Zunächst einmal - Aggression ist lebensnotwendig! Bei jedem Lebewesen - auch beim Menschen. Eine ausgewogene Aggression ist notwendig für die soziale Sicherheit im Rudel. Beim Hund entsteht Aggression fast immer zur Verteidigung von Ressourcen. Dies sind Futter, Territorium, Wasser, Beute, Sexualität und sonstige überlebenswichtige Dinge. Aber auch das Sicherstellen der eigenen körperliche Unversehrtheit oder das Streben nach einer höheren Position im Rudel, der Schutz seines Rudels (sozial motiviert) kann Aggressionen auslösen. Auf jeden Fall sind immer aggressionsauslösende Reize vorhanden, die sich auch überlagern können. Wie aggressiv der Hund reagiert ist von seiner Motivation abhängig. Nun zu unserem Beispiel. Sie betreten einen eingezäunten Garten und stehen plötzlich einem Hund gegenüber (wie es Briefträgern jeden tagtäglich passiert). Die Ohren des Hundes sind nach vorne gerichtet, die Rute wird hocherhoben getragen (kann auch leicht wedeln), am Nacken und Rücken ist das Fell leicht gesträubt, der Hund zeigt ein bisschen seine Zähne, bellt etwas und knurrt vernehmlich. Hier haben Sie es mit einem selbstbewussten Hund zu tun der Ihnen sagen will: bis hierhin und nicht weiter. Wenn Sie nun ruhig stehen bleiben, nicht hektisch rumhampeln, beruhigend auf ihn einreden und nicht starr in die Augen starren (fixieren; das empfinden Hunde als Bedrohung) wird mit hoher Wahrscheinlichkeit alles klar sein. Der Hund wird vielleicht näher kommen, Sie beriechen und Ihnen dann langsam vorausgehen. Derselbe Hund mit zurückgelegten Ohren, entblößten Zähnen und eingeklemmter Rute zeigt, dass er unsicher und/oder ängstlich ist. Hier ist dasselbe Verhalten wie beschrieben ratsam, nur dürfen Sie den Hund nicht aus den Augen lassen (wieder ohne fixieren), denn solche Hunde können sogenannte Angstbeißer sein, die Sie vorbeilassen und dann von hinten angehen oder Sie an sie heranlassen und unvermittelt zuschnappen. Man unterscheidet hier auch zwischen offensiver und defensiver Aggression. Dass dieses Beispiel nur ein ganz kurzer Auszug, eine Momentaufnahme aus dem sehr komplexen Verhaltensrepertoire sein kann, versteht sich von selbst. Hier ist noch nicht einmal berücksichtigt, warum der Hund so oder so reagiert (Sozialisation und Habituation). Es soll jedoch auch nur aufzeigen, wie Kommunikation in etwa abläuft. Wenn zwei Hunde sich begegnen, werden in Sekunden eine Vielzahl solcher körpersprachlichen Signale ausgetauscht und man muss schon ein geübter Beobachter sein um dies "lesen" zu können. In diesen Sekunden vermitteln die Hunde weit mehr Informationen, einschließlich Geruch, als wir Menschen es können. An dieser Stelle sei wiederum empfohlen, sich für das Verhalten von Wölfen zu interessieren, da beim heutigen Haushund noch ca. 70% des Wolfsverhaltens vorhanden ist. Nun stellt sich bei dem einen oder anderen die Frage was eigentlich Verhalten ist. Nun, Verhalten ist jede Aktion/Reaktion die psychisch bedingt ist. Alle Reaktionen des Hundes sind stets das Resultat seiner psychophysischen Eigenschaften sowie seiner situationsabhängig gewonnenen Erfahrungen.

Alles Verhalten, außer den unbedingten Reflexen, ist erlernt. D.h. erlerntes kann in mancher Hinsicht auch wieder verlernt werden (jedoch nicht immer, davon später). Grundsätzlich sei gesagt nach Bertrand Russell: Ein psychischer Vorgang irgendwelcher Art kann die Ursache für eine Reihe von Handlungen sein, die, wenn sie nicht unterbrochen wird, solange fortgeht, bis ein mehr oder weniger bestimmter Zustand eintritt. Solch eine Reihe von Handlungen nennen wir einen "Zyklus des Verhaltens". In der täglichen Praxis unterscheiden wir im allgemeinen zwischen Normalverhalten, störendem Verhalten und Verhaltensstörungen. Bei der Bewertung des Verhaltens ist die wichtigste Frage wozu dient dies oder jenes Verhalten? Welche Vorteile bringt es? Nehmen wir wiederum ein Beispiel das Urinieren des Rüden. Wozu hebt er das Bein? Wozu uriniert er so oft und scharrt nach dem Urinieren? In diesem Falle ist es klar, dass der Hund markiert und seine Stärke/Dominanz darstellen will. Doch wozu? Ganz offensichtlich um andere zu beeindrucken und/oder sein Revier abgrenzen. Ziel ist es letztendlich an erster Stelle bei der Begattung einer Hündin zu sein. Also dient diese Verhaltensweise in erster Linie der Arterhaltung. Doch die Arterhaltung haben wir Menschen dem Hund abgenommen. Es gibt bei unseren Haushunden in der Regel keine freie Gattenwahl mehr, wobei dieses Verhalten wichtig wäre. Jetzt kommen wir auf des Pudels Kern: Es ist noch ein wölfisches Verhalten. Für den Wolf ist dies noch lebensnotwendig, wenn z.B. einmal im Jahr zur Ranzzeit der Alphawolf klar stellt wer das Sagen (und damit das Recht auf Fortpflanzung) hat. Oder wenn seine Führungsposition in Frage gestellt wird. Wenn wir uns nun die mannigfaltigen Verhaltensweisen unseres Hundes betrachten, werden wir noch viele finden, die Wolfserbe sind. Nun zum Begriff der Dominanz und Rangordnung. Wie wir jetzt wissen ist ein Wolfsrudel streng hierarchisch gegliedert. Die Führer (Alpharüde und Alphaweibchen) dominieren die anderen Angehörigen des Rudels. In der Regel haben nur sie das Recht auf Nachkommenschaft. Die subdominanten Tiere zeigen ihnen gegenüber alle Zeichen der Unterwerfung wie Mundwinkellecken, auf den Rücken werfen, Rute einklemmen usw. Dominanz ist in erster Linie Bewegungseinschränkung des anderen und Souveränität. Nun sehen wir wieder die Verhaltensanalogien zu unseren Hunden. Wo die Rangordnung strukturell geklärt ist, werden sich unsere Hunde uns gegenüber ganz ähnlich verhalten. Sie werden sich "unterwerfen" und wir können (und sollen) die Bewegungsfreiheit einschränken: der Hund darf nicht immer mitten im Weg liegen, sondern sollte aufstehen wenn wir vorbeiwollen (das heißt nicht dass wir ihn bei jeder Gelegenheit aufscheuchen). Wir sollten als erster durch die Haustür gehen, ist jedoch auch kein muss. Er darf nicht überall da hin, wo wir hingehen. Manche Bereiche sind eben "gesperrt". Aber Vorsicht: Hunde sind sehr sensibel im Hinblick auf "ungerechte" Behandlung. Wenn wir maßregeln, dann soll schon einen "handfesten" Grund vorhanden sein. Nun soll man aber nicht davon ausgehen, dass die Hunde uns als Artgenossen sehen. Die Menschen sind für sie eine Art "Überhund". Aber dennoch erwarten Sie in gewisser Weise dass wir uns "artgemäß" verhalten, dass wir ihre Sprache verstehen. Wenn wir das nicht tun und unsere Dominanz nicht zum Ausdruck bringen, wird vielleicht der eine oder andere Hund seiner Natur folgen und die Rudelführerschaft in Frage stellen. Aber Vorsicht: dies ist ein schleichender Prozess, der oft schon im Spiel anfängt und schließlich und endlich beim zubeißen enden kann. Die meisten "Tests" seines sozialen Status und die Austestung der Schwächen und Stärken seines "Gegners" wird der Hund (wie der Wolf) im Spiel durchführen. Es ist also wichtig, dem Hund zu zeigen, dass er sich bei uns sicher und wohlfühlen kann, wenn er die, von uns vorgegebenen, vernünftigen Spielregeln einhält. Vor Gewalt sei hier eindringlich gewarnt. Sie bringt nur Misstrauen und zeigt keineswegs dass man der geborene Führer ist! Aber auch übertriebenes Liebesgetue, Verzärtelung und vor allem Vermenschlichung untergräbt die Autorität und ist falsch verstandene Tierliebe. Souveränität und Konsequenz ist hier gefragt. So viel Freiraum wie möglich und soviel Einschränkung wie nötig. Das heißt beileibe nicht, dass man nicht mit seinem Hund spielen oder schmusen oder herumtollen soll. Der Hund ist auf unseren engen sozialen Kontakt angewiesen. Wenn man einen Alpharüden sieht, mit welcher Gelassenheit und Lässigkeit er sein Wolfsrudel führt, ist dies schon beeindruckend. Der Hund, auch wenn er der Letzte im Rudel ist, fühlt sich nur wohl, wenn er seine Stellung im sozialen Gefüge kennt und ihm diese auch immer wieder bestätigt wird. Unsere erste Pflicht sollte sein, zu versuchen unserem Hund ein artgerechtes oder besser ausgedrückt ein hundegerechtes Leben zu ermöglichen. Ich unterscheide hier zwischen artgerecht und typengerechter Haltung. Denn art- oder hundegerecht müssen alle Hunde gehalten werden, während zusätzlich dazu die Bedürfnisse der einzelnen Hundetypen (Hütehund, Jagdhund, Herdenschutzhund usw.) berücksichtigt werden sollten. Zur hundegerechten Haltung gehören die soziale Sicherheit in seinem Rudel mit klarer Rangstrukturierung, Befriedigung seines Bewegungsbedürfnisses, die körperliche Unversehrtheit und nicht zuletzt auch die Befriedigung oder besser gesagt die Ausnutzung des geistigen Potentials - oder simpel gesagt: der Hund braucht was zu tun.

Wie sagt Günther Bloch treffend: "Versuchen wir uns zu verhundlichen, statt Hunde zu vermenschlichen".